Aus der Dunkelheit zur Energiezukunft: Strategien und Simulationen von Dunkelflauten im europäischen Energiesystem

  • Research project:Aus der Dunkelheit zur Energiezukunft: Strategien und Simulationen von Dunkelflauten im europäischen Energiesystem
  • type:Masterarbeit
  • Date:ab sofort
  • Tutor:

    Johannes Schuhmacher

  • Research group:

    Sustainable Energy Markets

Inhalte der Arbeit

Einleitung

Die europäische Stromversorgung befindet sich im Umbruch hin zu einem hohen Anteil erneuerbarer Energien. Damit gewinnen Wetterextreme und langanhaltende Phasen geringer Erzeugung an Bedeutung. Dunkelflauten sind mehrtägige Phasen, in denen sowohl kaum Wind weht als auch nur wenig Sonnenlicht verfügbar ist, meist in den Wintermonaten. Typischerweise dauern Dunkelflauten etwa zwei bis acht Tage und treten im Durchschnitt etwa zweimal pro Winterhalbjahr auf (imk-tro.kit.edu).

Solche Ereignisse stellen eine erhebliche Herausforderung für die Versorgungssicherheit dar, da in diesen Perioden die Einspeisung aus Wind- und Solarenergie auf ein Minimum sinkt, während der Strombedarf – besonders bei gleichzeitigen Kältewellen – hoch bleibt. Aktuell müssen derartige Versorgungslücken noch überwiegend durch fossile Reservekraftwerke geschlossen werden. Im Kontext des Klimawandels stellt sich zudem die Frage, wie sich Häufigkeit und Ausprägung von Dunkelflauten unter zukünftigen Klimabedingungen verändern. Erste Analysen deuten darauf hin, dass der Klimawandel die Wahrscheinlichkeit solcher Wetterlagen in Mitteleuropa nicht signifikant erhöht. Dennoch muss ein auf erneuerbaren Energien basierendes Energiesystem robuste Strategien entwickeln, um auch längere Dunkelflauten ohne Abstriche bei der Versorgungssicherheit überbrücken zu können. Die Bedeutung eines europaweiten Ausgleichs zeigt sich in folgendem Befund: In rein nationaler Betrachtung kommt es in Deutschland etwa zweimal pro Jahr vor, dass Wetterbedingungen die erneuerbare Stromerzeugung für über 48 Stunden auf unter 10 % der installierten Leistung sinken lassen; in einem integrierten europäischen Verbundsystem sinkt das Auftreten solcher extremen Unterdeckungen hingegen statistisch auf ca. 0,2 Fälle pro Jahr. Dies unterstreicht, dass eine Perspektive auf europäischer Ebene und ein länderübergreifender Ausgleich zentral sind, um Wetterrisiken wie Dunkelflauten abzufedern.

 

Ziel der Arbeit

Die Masterarbeit soll die Auswirkungen von Dunkelflauten auf das europäische Stromsystem umfassend untersuchen und dabei sowohl bestehende Erkenntnisse aufarbeiten als auch neue Analysen liefern. Dazu besteht die Arbeit aus zwei Hauptteilen:

  1. Literaturrecherche: Zunächst soll eine fundierte Aufarbeitung des aktuellen Forschungsstands erfolgen. Dunkelflauten werden dabei definiert und hinsichtlich ihrer Charakteristika klassifiziert (Dauer, Intensität, Häufigkeit). Es ist darzustellen, welche Auswirkungen zurückliegende Dunkelflauten auf Energieversorgung und Strommärkte hatten (z. B. Preissteigerungen, Engpässe) und welche Gegenmaßnahmen in der Literatur diskutiert werden. Mögliche Maßnahmen zur Überbrückung reichen vom Ausbau transnationaler Stromnetze über den verstärkten Einsatz von Speichern (z. B. Batterie- oder Pumpspeicherkraftwerke) und flexiblen Reservekraftwerken (z. B. Bioenergieanlagen) bis hin zu Nachfragesteuerung (Demand-Side-Management). Ein weiterer Aspekt der Recherche ist die Berücksichtigung von Klimaszenarien (z. B. Projektionen des IPCC oder Datensätze von Copernicus): Wie könnten sich Häufigkeit und Ausprägung von Dunkelflauten infolge des Klimawandels verändern, und welche Annahmen treffen aktuelle Energieszenarien hierzu?
  2. Modellbasierte Analyse mit PyPSA: Im zweiten Teil soll ein Simulationsmodell eingesetzt werden, um Dunkelflauten unter zukünftigen Bedingungen exemplarisch zu analysieren. Hierfür soll das offene Energiesystemmodell PyPSA-Eur verwendet (Python for Power System Analysis) werden. Geplant ist, im Modell mehrere Szenarien für ausgewählte europäische Länder (etwa Deutschland, Frankreich, Schweiz und Österreich) zu betrachten. Dabei sollen auf Basis von zukünftigen Klimadaten (z. B. Jahre mit simulierten Wetterdaten für 2030 oder 2050) längere Dunkelflauten identifiziert und hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Stromversorgung untersucht werden. Im Mittelpunkt stehen Fragen der Versorgungssicherheit (Gibt es Engpässe oder Lastabwürfe?), der erforderlichen Speicherkapazitäten (Wie viel Speicher oder Reserveleistung wird benötigt, um die Flaute zu überbrücken?), des Kraftwerkseinsatzes (Welche Erzeugungskapazitäten werden in solchen Phasen dominant genutzt?) und des grenzüberschreitenden Stromaustauschs (Welche Rolle spielen Importe und Exporte zwischen Ländern beim Ausgleich von Defiziten?). Das bestehende PyPSA-Eur-Modell kann dabei genutzt und bei Bedarf angepasst werden, um beispielsweise höhere zeitliche Auflösung oder aktualisierte Klimaannahmen abzubilden. Stromnetze im Sinne detaillierter Netzengpässe werden nicht betrachtet; es wird angenommen, dass der internationale Stromhandel nur durch die energiewirtschaftlichen Bilanzgrenzen der Länder limitiert ist, nicht durch physische Netzrestriktionen.

Durch die Verknüpfung von Literaturarbeit und modellgestützter Analyse soll ein ganzheitliches Bild entstehen, wie Dunkelflauten in einem zukünftigen europäischen Energiesystem wirken und mit welchen Strategien ihre negativen Effekte minimiert werden können.

 

Mögliche Forschungsfragen
  • Wie lassen sich Dunkelflauten qualitativ und quantitativ definieren, und welche typischen Merkmale (Dauer, Ausprägung, Saisonalität) weisen sie in Europa auf?
  • Welche historischen Beispiele von Dunkelflauten gab es, und wie haben sich diese auf Energieversorgung und Strompreise ausgewirkt?
  • Mit welchen technischen und organisatorischen Maßnahmen kann ein Energiesystem mit sehr hohem Anteil erneuerbarer Energien Dunkelflauten überbrücken, und welche dieser Maßnahmen werden in der Literatur als besonders vielversprechend bewertet?
  • Wie beeinflussen mehrtägige Dunkelflauten (unter zukünftigen Klimabedingungen) die Versorgungssicherheit in ausgewählten Ländern (z. B. Deutschland, Frankreich, Spanien) in einem simulierten zukünftigen europäischen Energiesystem? Wo treten Engpässe auf, und wie können Speicher oder Lastmanagement diese abmildern?

Diese Fragen dienen als Orientierung – im Verlauf der Arbeit können sie weiter präzisiert und fokussiert werden.

 

Vorkentnisse / Anforderungen
  • Fachkenntnisse: Grundlegendes Verständnis der Energiewirtschaft und der Funktionsweise von Energiesystemen
  • Modellierungserfahrung: Erfahrung mit der Modellierung und Simulation von Energiesystemen oder energietechnischen Fragestellungen ist von Vorteil (z. B. Umgang mit Optimierungsmodellen, Simulationstools oder Programmiersprachen wie Python für Energiesystemanalysen).
  • Analytische Fähigkeiten: Ausgeprägte analytische und konzeptionelle Fähigkeiten sowie die Fähigkeit, sich eigenständig in komplexe Fragestellungen einzuarbeiten und Simulationsergebnisse auszuwerten.
  • Sprachkenntnisse: Gute Deutsch- und/oder Englischkenntnisse zum Verfassen der Dokumentation und zur Kommunikation im Forschungsteam.

 

Rahmenbedingungen
  • Zeitrahmen: Die Masterarbeit kann ab sofort oder nach Vereinbarung begonnen werden. Die reguläre Bearbeitungsdauer beträgt etwa 6 Monate, mit der Möglichkeit einer Verlängerung gemäß Prüfungsordnung, falls erforderlich. Regelmäßige Treffen mit den Betreuern (z. B. wöchentlich) dienen der Fortschrittskontrolle und fachlichen Unterstützung während der Arbeit.

Kontakt: Wenn du dich für das Thema interessierst, freue ich mich auf deine E-Mail an johannes.schuhmacher∂kit.edu.
Bitte bewirb dich mit einer kurzen Motivation, deinem Lebenslauf und einem aktuellen Notenauszug (Transcript of Records).